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Botschaftsfunk
Der Botschaftsfunk wurde eingerichtet, um auch in Krisenzeiten eine direkte Verbindung zu den wichtigsten Vertretungen der Schweiz im Ausland aufrechterhalten zu können, ohne auf die Nutzung des öffentlichen Fernmeldesystems angewiesen zu sein.
Nach den ersten Schritten im Zweiten Weltkrieg wurde das in den Fünfzigerjahren eingerichtete Netz um 1973 mit modernisiertem Material grundlegend erneuert. Ab 1984 wurde auf ein Funkfernschreibverfahren mit automatischer Fehlerkorrektur (ARQ) aufgerüstet. 1998 erfolgte eine nochmalige Modernisierung, über das Kurzwellennetz konnten Textnachrichten mit dem Komfort eines email-Netzes versendet werden.
eingesetztes Funkmaterial
- Funkverbindungen mit den Schweizer Botschaften in Vichy (1941) und Berlin (1944), eingesetztes Material nicht bekannt.
oder
- U.S. Marinestation RT-16/FRC-1
Generation III: 1968/84 F6-Station oder SE-450:
- Fernschreibmaterial:
- Siemens Lochstreifensender T.send 61; druckender Empfangslocher T.loch 15b
- Gleichlauf - Zusatzgerät GZG von Siemens
- Streifen - Vergleichsgerät STREIKO von Albiswerk Zürich
in den Nebenstationen
Generation IV: 1984/98 SF-Station oder SE-450/II:
-
- später
-
Generation V: 1998/2004 Botschaftsfunksystem 98 resp. BF Sys 98
Stationspersonal
Im Jahre 1978 wurde die Fk Kp 48 als Betriebsformation für die Botschaftsfunkzentralen und die Instruktion der entsprechenden Mitarbeiter gegründet.
Standorte
Ursprünglich hatte die Zentrale des Botschaftsfunks in einer Dachbaracke im Bundeshaus West ihren Standort, sie verfügte nicht über Richtantennen.
In den Fünfzigerjahren wurde die Zentrale nach Kernenried verlegt, an den Standort der ehemaligen Peilstation des Flugplatzes Bern. Um 1964 konnte das Land erworben werden, 1971/75 wurden die Gebäude erstellt, so dass die Sendestation des Botschaftsfunks in Kernenried und die Empfangsstation in Murain als Mittelland - Botschaftsfunkzentrale 1976 den Betrieb aufnehmen konnten.
Früh war bereits eine Ersatzzentrale im Alpenraum vorgesehen, neben Réduit-Funkanlagen wurden zahlreiche weitere Objekte evaluiert. 1969 wurde die Aufgabe an die AUEM übertragen und in ehemaligen Artillerieanlagen konnte 1972/3 ein Provisorium Jaunpass den Betrieb aufnehmen, das bis 1983 im Einsatz war und 1984 durch die definitive Ersatzzentrale abgelöst wurde. Deren Sendeanlage auf dem Sparenmoos (SPA) und die Betriebs- und Empfangsanlage Eggli (EGG) wurden 1983 fertiggestellt und 1985 in Betrieb genommen.
Als Ergänzung zu den 1 kW-Sendern der Botschaftsfunkzentralen wurde 1979/82 in einer ehemaligen Réduit-Sendeanlage (Klewenalp, KLE?) ein fernbedienter Hochleistungssender in Betrieb genommen, auf die zunächst geplante Ersatzanlage wurde verzichtet. Technisch war die Anlage mit einem Kurzwellensender Marconi H1200 ausgestattet, durchstimmbar von 3 - 27 MHz, 20/30 kW Sendeleistung.
Hintergrund
Anfangszeiten
Vorläufer des modernen Botschaftsfunk war eine Kurzwellenverbindung zur Schweizer Gesandtschaft in Vichy in der Zeit des Zweiten Weltkriegs, in der die „Zone Libre“ resp. der „Etat français“ von einer Regierung unter Marschal Pétain unter deutscher Duldung regiert wurde. Nach der Befreiung Frankreichs wurde diese Verbindung aufgehoben.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde unter Leitung des technischen Adjunkten der Infanterie - Übermittlungsschule Fribourg, Hptm E. Schneider, ein Kurzwellennetz eingerichtet, welches die Zentrale mit Sendeempfängern in den europäischen Botschaften verband. Über die Abteilung Übermittlung (AUEM) wurde das Material bereitgestellt, die angelernten („Hilfs-)Funker“, die von den Botschaften aus in Handtelegraphie arbeiteten, waren vom Eidgenössischen Politischen Department (EPD) gestellt. Zum Einsatz kamen u.s.-amerikanische Funkstationen AN/FRG-2 und der Sender HT-20 von Hallicrafters sowie der Empfänger BC-342 des U.S.Signal Corps.
Die wenig leistungsstarken Sendeanlagen zeigten zunehmend Ausfallserscheinungen, so dass das Netz in der Mitte der Fünfzigerjahre kaum mehr funktionell und sanierungsbedürftig war.
Reorganisation Botschaftsfunk 1958
Nach einer Standortbestimmung von EPD und Nachrichtensektion unter Stabschef der Abteilung für Übermittlungstruppen Maj i Gst Honegger wurde unter Ing Kurt Gerber eine Bestandesaufnahme vorgenommen und die notwendigen Kredite für Neuanschaffungen und Sanierung und Installation neuer Anlagen beantragt. Die technische Verantwortung sollte an die Abteilung für Übermittlungstruppen übergehen.
1957 wurde der erfahrene Funkeroffizier und Funkamateur dipl Ing Erwin Beusch als „Chef Funkdienst“ der AUEM mit der Umsetzung eines Kurzwellenfunknetzes beauftragt, um für das Eidg. Politische Departement die Kommunikation mit den wichtigsten diplomatischen Vertretungen sicherzustellen, das Eidg. Militärdepartement war ein Nebennutzer.
Zwischen 1959/64 wurde unter der Tarnbezeichnung ORANGE-Netz ein Netz von 27 resp. später 35 Kurzwellenfunkstationen geplant, aufgrund des Planungs- und Budgetierungsprozess in Reibungsproblemen an den Schnittstellen zwischen EPD und AUEM zog sich die Umsetzung in die Länge.
Ab 1957 wurden auf der Verbindung Bern - Paris Versuche mit Funkfernschreiben unter Einsatz des ETK-Funkfernschreibers und des TC53-Chiffriergeräts unternommen, die aufgrund von Übermittlungsfehlern nicht überzeugen konnten, der Einsatz des hochmodernen im Synchronbetrieb arbeitenden KFF58 wurde als zu kostspielig zurückgestellt.
Ab 1961 wurden Versuche mit Funkfernschreiben unternommen, zum Einsatz kamen entsprechend angepasste Sender von Brown Boveri und der Nachrichtenempfänger E-629 (51J4) von Collins. Da im Botschaftsfunk mit einem Simplex-System gearbeitet wurde, konnten TOR-Funkfernschreibverfahren nicht zum Einsatz kommen. Man behalf sich mit einem FSK-F6-Betrieb mit Zeitdiversity. Die gleiche Meldung wurde zweimal zeitversetzt übermittelt und zwei Empfangslochstreifen generiert, mit einem Lochstreifenvergleichsgerät wurden die Meldungen dann abgeglichen und bei Unklarheiten noch eine weitere Ausstrahlung derselben Meldung veranlasst. Mit den insgesamt vier Lochstreifen konnte dann nach Mehrheitsentscheid der definitive Inhalt generiert werden. Auf der technisch anspruchsvollen Strecke Bern - Teheran wurde dieses Verfahren 1964 mit gutem Ergebnis getestet.
Aufgrund einer Diskrepanz, das Eidg. Politische Departement wollte bei der technisch einfacheren Handtastung bleiben, die Nachrichtensektion setzte darauf, die Militärattachés mit Funkfernschreibstationen auszurüsten, kam es zu längeren Querelen in der Beschaffung, so dass zunächst anstelle von 35 nur 12 Aussenstationen zugestanden wurden. 1969 revidierte das EPD seinen Entscheid und erweiterte den Planungshorizont von 35 auf 45 - 50 Stationen, die zu beschaffen seien.
Reorganisation Botschaftsfunk 1968/73
Mit dem Rüstungsprogramm 1968/II wurden zunächst die Zentrale und zwölf Aussenstationen beschafft; mit dem Rüstungsprogramm 1971 wurden zusätzliche 23 Fernschreibstationen bestellt; 1978 wurde dann entschieden, die Zahl der Stationen im Endausbau auf 21 F6-Stationen zu beschränken. Im Endausbau arbeiteten 70 Stationen im Botschaftsfunknetz.
Als Betriebsformation für die Zentrale wurde die Fk Kp 48 als Armee-Übermittlungsformation im Jahre 1978 gegründet und im Folgejahr die „Weisungen für den Betrieb des Botschaftsfunknetzes“ erarbeitet.
1976 wird die Mittellandzentrale Murain - Ersigen erneuert, hier kommen werden sechs Arbeitsplätze mit den entsprechenden Sendern - Empfängern eingerichtet, weitere sechs Stationen werden zur Ausbildung als Mobilstationen SE-450 auf Lastwagen installiert.
Die Sendestation Klewenalp (KLE), die ursprünglich als Reduit-Funkstation errichtet worden war, wurde mit zwei Marconi-Sendern H-1200 (3 - 27 MHz, 10 kW) und zwei logarithmisch - periodischen Antennen LP 1730 von Granger ausgerüstet und konnte von der Mittellangzentrale Murain aus fernbedient werden.
Erneuerung Botschaftsfunk 1985/90
Im Jahre 1980 wurde über die Erneuerung der technischen Ausrüstung des Botschaftsfunknetzes entschieden: zunächst wurde in einem Zwischenschritt bis 1985 das Material der schweren F6-Funkfernschreibstationen SE-450 modernisiert, zum Ersatz des Collins-Empfängers wurde der Empfänger E-658 (EK 070) von Rohde & Schwarz evaluiert, letztendlich entschied man sich für eine Umrüstung mit dem System 90 von SRT.
Das gesamte Material der Stationen wurde nun als SE-450/II (SF, dh. „Schwere Funkfernschreibstation“) für Funkfernschreibbetrieb mit automatischer Fehlerkorrektur (ARQ) umgerüstet. Die Gerätschaften mit dem Empfänger CR 91 und dem Steuersender TD 90 stammten von der schwedischen Standard Radio AB (SRT), das ARQ-Vorsatzgerät STB 750 und der elektronische Fernschreiber PACT-220 von Philips.
An den Nebenstationen kam als **LF („Leichte Funkfernschreibstation“) eine leistungsschwächere Variante mit dem Transistorsender SSA-400 von SRT zum Einsatz und löste die Drake-Station ab.
Als Chiffriermaschine löste das TC 91 von Omnisec die Maschine TC 850 ab.
Botschaftsfunksystem 98
In den Neunzigerjahren wurde das Konzept eines neuen Botschaftsfunknetzes entwickelt: an mehreren Standorten in der Schweiz wurden zwei Sendeempfänger installiert, die durch ein Drahtnetzwerk (TRANET, WAN der Armee) in Verbindung stehen. Die autonomen Stationen, die jeweils über eine kombinierte Sende-/Empfangsantenne arbeiten, können sich bei einem technischen Ausfall gegenseitig vollständig ergänzen.
Mit der Einführung des elektronischen Meldungs-Vermittlungssystems MVS konnte ab 1995 auf den Einsatz von Lochstreifen verzichtet werden; man ging von einem Funkfernschreibverfahren auf Datenfunk der ähnlich email auch Bildübermittlung erlaubte, über.
Die Meldungen im System wurden elektronisch formatiert und ähnlich dem Internet automatisch über verschiedene Netzknoten / Netzstationen automatisch weitergeleitet, bis die Meldung die Empfängerstation erreicht und dort auf den email-Server der Botschaft gelangt. Die ARQ-Funkkommunikation wird 2004 eingestellt.
Die Stationen bauen untereinander automatisiert Verbindungen auf (Automatic Link Establishment) und speichern die Übermittlungsqualität auf verschiedenen vorprogrammierten Frequenzen und nutzen die optimale Frequenz (ALE-Verfahren gemäss Standards US-MIL-Std-188-141A und US-FED-Std 1052). Die Übertragung der Datenpakete erfolgt mit automatischer Fehlerkorrektur (FEC, d.h. blockweise Übermittlung der Zeichen mit redundanten Bits sowie ARQ, d.h. automatische Anforderung der Wiederholung korrumpierter Zeichenblöcke). Die elektronischen Daten werden verschlüsselt und komprimiert übertragen und die Übertragungsrate den Ausbreitungsbedingungen angepasst.
Aufgrund einer Ausschreibung 1994 wurden Systeme von Marconi (GB) und Ascom/Harris evaluiert, in dem das System von Harris erfolgreich war. Im Jahr 2000 wurden drei Pilotsysteme in Bern und in der Botschaft in Rom installiert, ab 2006 waren 26 Stationen und sechs Containerstationen (RDS) einsatzbereit. Eine Transitstation in New Delhi war um die Weiterleitung von Nachrichten in und aus dem asiatischen Raum besorgt.
Das System wurde auch in ordentlichen Lagen genutzt, um beispielsweise Nachrichten an die Kontingente von Schweizer Gelbmützen im Ausland zu übermitteln; so konnten die Schweizer Gelbmützen in Sarajevo über zwei in Containern installierte sogenannte RDS-Stationen ihre Meldungen übermitteln.
Ab 1992 wird mit der Einrichtung der Satellitenempfangsstation Antanarivo auf Madagascar die erste Satellitenstation eingerichtet, ähnlich wie bei der Seefahrt wird fortan auf den Einsatz von Satellitenkommunikation gesetzt.
Ende 2014 entschied sich das Aussendepartement aus Kostengründen auf das Unterhalten eines unabhängigen und ausfallsicheren Botschaftsfunksystems zu verzichten und fortan nur noch zivile Kommunikationskanäle zu nutzen, ab Januar 2015 war der Botschaftsfunk abgeschaltet.